„Es war eine Zeit der großen Angst“: Zeitzeuge Ernst Grube beeindruckt Jugendliche
Für die Matinée anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages im Künstlerhaus am Sonntag reiste er nach Klagenfurt – und tags darauf ließ er es sich nicht nehmen, an der WI’MO zu gastieren: Der bayrische Zeitzeuge Ernst Grube sprach heute in zwei intensiven Stunden mit Jugendlichen aus gleich drei Jahrgängen über sein bewegtes Leben.
1932 als Sohn eines KPD-Mitglieds und einer Jüdin geboren, wuchs Grube unweit der Münchner Synagoge auf, wurde im nationalsozialistischen Deutschland von seinen Eltern getrennt, in ein Kinderheim und später ins Ghetto gebracht, Anfang 1945 nach Theresienstadt deportiert. Von der Roten Armee gerettet, kehrte Grube 1945 nach München zurück, engagierte sich fortan auch politisch und tut dies bis in die Gegenwart.
Heute fungiert Grube als Präsident der Lagergemeinschaft Dachau und teilt die Erfahrungen seines Lebens mit Menschen aller Altersgruppen. Ehe es für ihn am Mittwoch nach Berlin zu einem Festakt in den Deutschen Bundestag geht, besuchte er mit seiner Frau Helga Hanusa die WI’MO.
Die lebendigen Bilder, die Grube im Gespräch mit den Jugendlichen vermittelte, ermöglichten es, seine schwierigen Jugendtage erfahrbar zu machen. „Als die Synagoge als Zentrum des jüdischen Lebens in München zerstört wurde, hatten wir nicht lange Zeit, um damit fertig zu werden. Wenig später wurde uns auch die Wohnmöglichkeit genommen“, so Grube. „Strom, Wasser und Gas wurden von der Stadt gesperrt. Es war unmöglich, für die Familie eine neue Unterkunft zu finden.“
Nach der Trennung von den Eltern lebte Grube mit seinen Geschwistern Werner und Ruth zunächst in einem Kinderheim, später wurden sie ins Ghetto gebracht. „Als Kind hat man vieles natürlich nicht verstanden, etwa als wir von den ‚deutschen‘ Kindern getrennt wurden. Man fragte sich: Wieso sind die so zu uns? Wir haben ihnen doch nichts getan. Wir wollen doch spielen mit ihnen!“ In den frühen Tagen des Krieges gab es zunächst Versuche, eine Form des Schulunterrichts für jüdische Kinder aufrechtzuerhalten. „Allerdings waren da nur noch drei Lehrer und nur wenige Kinder. Man hat Klassen zusammengelegt, damit ein wenig Unterricht stattfinden konnte.“
Anfang 1945, als sich die Niederlage der Nationalsozialisten längst abgezeichnet hatte und das KZ Auschwitz befreit worden war, wurde Grube mit seinen Geschwistern und seiner Mutter nach Theresienstadt deportiert. „Wir fragten uns, was sie mit uns in dieser Phase des Krieges noch vorhaben würden. Es war eine Zeit der großen Angst.“
Nach dem Krieg kehrte Grube nach München zurück, Grube wurde Maler und durch den Kontakt mit der Witwe des kommunistischen Widerstandskämpfers Otto Binder politisiert. So kam er zur Kommunistischen Partei und erlebte die Nachkriegsjahre im geteilten Deutschland. „Wir konnten uns mit der Teilung in Westzone und Ostzone, woraus später zwei Staaten wurden, nicht identifizieren und kämpften für einen gemeinsamen deutschen Staat.“
Grube eckte mit seinem Engagement immer wieder an und blieb bis zum heutigen Tag ein politischer Mensch. So beobachtet er auch die aktuelle politische Situation in Deutschland genau. Infolge bekannt gewordener Pläne rechtsradikaler Gruppierungen, die auch bei vielen Wähler*innen Zuspruch finden, regt sich gegenwärtig großer Protest in der Zivilgesellschaft. „Parteien, die Menschen aufgrund ihrer Vorfahren aussortieren und loswerden wollen, gibt es in Deutschland nicht zum ersten Mal. Derzeit geht ein Ruck durch die Bevölkerung, um dem entgegenzutreten.“
Und was sagten die Schüler*innen zu Grube? Sie waren nachhaltig beeindruckt. „Er spricht besonnen und präzise, nicht wertend oder mit erhobenem Zeigefinger über die Geschichte. Davon waren auch die Schüler*innen enorm angetan“, berichten Organisatorin Prof. Ilse Geson-Gombos und Prof. Martin Erian, die wie Direktorin Michaela Graßler der Diskussion in der Bibliothek beiwohnten.
Zum Bericht: https://www.diewimo.at/2024/01/zeitzeuge-ernst-grube-beeindruckt-jugendliche/
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