Einführung in den Bereich Vielfalt (Jürgen Pirker)

Dieser Bereich der Plattform Politische Bildung Kärnten befasst sich mit der Vielfalt in Kärnten und Österreich und richtet sich vor allem an PädagogInnen, LehrerInnen und SchülerInnen der Sekundarstufe II.

Die Beschäftigung mit kultureller Vielfalt ist eine Schnittmenge von politischer und interkultureller Bildung. Sie fördert persönliche Kompetenzen, ermöglicht die Auseinandersetzung mit eigenen Werthaltungen, der eigenen Herkunft oder Identität und unterstützt bei der Entwicklung einer Grundhaltung der Offenheit, um mit kultureller Verschiedenheit konstruktiv umgehen zu können.

Sie finden hier Informationen über Kultur, die Herausforderung interkultureller Kontakte und Kommunikation und Möglichkeiten konstruktiver Konfliktbearbeitung (siehe Wir sind Kärnten).

Ein besonderer Schwerpunkt widmet sich den Volksgruppen in Österreich, vor allem den Kärntner SlowenInnen und der Geschichte der „nationalen“ Frage in Kärnten. Ausgewählte Studienergebnisse zu Wissen und Meinung von SchülerInnen über Volksgruppen, Migrationsminderheiten und Minderheitenschutz werden unter Jugend und Minderheiten (siehe Volksgruppen) vorgestellt.

Einen Überblick über die Geschichte der Zuwanderung, Daten und Fakten zu Migration und Asyl in Österreich und Kärnten gibt der Bereich Migration und Minderheiten.

Anforderungen an politische Bildung und interkulturelles Lernen

Das Konzept der interkulturellen Erziehung (später interkulturelle Bildung und interkulturelles Lernen genannt) entsteht in den 1970er Jahren als Reaktion auf die gesellschaftlichen Herausforderungen der zunehmenden Migration und Integration. Der Fokus erweitert sich bald auf ethnische Minderheiten und weitere Gruppen, die innerhalb einer Gesellschaft als „anders“ definiert werden.

Politische Bildung und interkulturelles Lernen sollen als Unterrichtsprinzipien die Urteils- und Handlungsfähigkeit und methodische Fertigkeiten der SchülerInnen und als didaktische Grundsätze „Akzeptanz, Respekt und gegenseitige Achtung“ von anderen Kulturen fördern. Das gilt besonders für die Sprachen und Kulturen der „autochthonen“ Volksgruppen in Österreich: Zwei- und Mehrsprachigkeit sollen als Werte positiv besetzt und SchülerInnen dazu ermuntert werden, ihre Sprachenkenntnisse in den Unterricht einzubringen.

In Kärnten kann dies bedeuten, die Geschichte des Bundeslandes und der eigenen Familien zu erkunden, Kontakt zu Angehörigen von Minderheiten zu suchen, Vorurteile aufzudecken, die Vielfalt von persönlichen Geschichten und Wahrnehmungen zu erkennen und einen Wechsel der Perspektive zu ermöglichen, um Gemeinsamkeiten zu entdecken und eine inklusive Identität zuzulassen. Konkret sind Themen und Anliegen „autochthoner“ Volksgruppen und neuer Migrationsminderheiten in den Unterricht zu integrieren und nicht losgelöst von anderen gesellschaftspolitischen Fragen zu diskutieren, die zwischen „Innen“- und „Außengruppen“ („uns“ und „den anderen“) differenzieren.

Die Auseinandersetzung mit kultureller Vielfalt entspricht auch dem Anliegen von SchülerInnen. In einer eigenen Umfrage aus dem Jahr 2013 sprechen sich von 1.275 befragten Jugendlichen an allgemeinbildenden höheren Schulen über 40% für eine stärkere Beschäftigung mit Fragen „autochthoner“ Volksgruppen und Migrationsminderheiten aus. Immerhin mehr als ein Viertel kann dazu keine Stellung beziehen. Kritisiert wurde z.B., dass über die slowenische Minderheit in Kärnten wenig informiert werde, LehrerInnen bemerken ihrerseits Zurückhaltung im Kollegium bei der Erörterung dieses Themas, die sich häufig auf die Ereignisse rund um den 10. Oktober 1920 reduziere. Für Geschichte und Rechte der Volksgruppenangehörigen besteht unter den SchülerInnen wenig Bewusstsein. Fragen  der Umsetzung von Rechten angestammter Minderheiten werden mit der Migrations- und Asyldebatte vermengt. Oft wird mit dem Argument: „Sie sollen sich anpassen oder nach Hause gehen!“ der kaum differenzierte Blick auf die Volksgruppe deutlich.

Daraus ergeben sich klare Anforderungen an politische Bildung und interkulturelles Lernen: Sie haben Wissen zu vermitteln und eine Reflexion von Prägungen und Meinungen zu ermöglichen, um Kompetenzen für den Umgang mit historischen oder neuen Formen kultureller Vielfalt zu fördern.

Ziel der politischen Bildung und des interkulturellen Lernens soll eine selbstreflexive und kritische Auseinandersetzung von Jugendlichen mit Dimensionen der Diversität sein. Die Beschäftigung mit Vielfalt, historischen und gegenwärtigen Konflikten und ihrer Interpretation, Volksgruppenfragen und Migrationsminderheiten kann dafür einen Ausgangspunkt darstellen – als Basis für die Gestaltung einer „gemeinsamen“ Zukunft.

Idee der Plattform Politische Bildung

Die Plattform Politische Bildung Kärnten ist als Impuls für einen Prozess zu verstehen. Daher sind NutzerInnen der vorliegenden Texte und Materialien eingeladen, Kritik zu üben, Anregungen einzubringen und mit eigenen „Best Practice“-Erfahrungen die Sammlung von Texten oder Materialien mit Beispielen zu erweitern oder Initiativen vorzustellen und sichtbar zu machen, um die Plattform als Multiplikator für möglichst vielfältige Formen für den Umgang mit Diversität zu nutzen. Ziel ist es, SchülerInnen dazu zu motivieren, sich als Teil des politischen Prozesses zu begreifen, eigene Ideen einzubringen und mit Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung des Bundeslandes Kärnten zu diskutieren.

Die Beiträge dieser Plattform, die im Download-Bereich zur Verfügung stehen, bieten eine Grundlage für die Bearbeitung verschiedener Themenbereiche mit SchülerInnen:

Eine Reihe von Materialien gibt einen ersten Anstoß für die aktive Auseinandersetzung im Unterricht, in Projekten, Workshops oder für individuelle Reflexion. Texte, Arbeitsblätter und Handouts für LehrerInnen und SchülerInnen finden Sie im Downloadbereich der Plattform.

 

Im interaktiven Bereich Politik erleben können Sie mit den SchülerInnen eine anonyme Umfrage zu den Themen Volksgruppen, Minderheiten und Minderheitenschutz durchführen – die Ergebnisse stehen Ihnen direkt im Anschluss zur Verfügung. Die Umfrage kann als Wissensstanderhebung oder Diskussionsgrundlage eingesetzt werden.

Quellen:

  • Auernheimer Georg (2008): Interkulturelle Bildung als eine Dimension Politischer Bildung, in: Gruber Bettina/Stainer-Hämmerle Kathrin (Hrsg.), Demokratie lernen heute, Politische Bildung am Wendepunkt, Wien/Köln/Weimar
  • Larcher Dietmar (1991): Fremde in der Nähe, Interkulturelle Bildung und Erziehung – im zweisprachigen Kärnten, im dreisprachigen Südtirol, im vielsprachigen Österreich, Klagenfurt
  • Nieke Wolfgang (2008): Interkulturelle Erziehung und Bildung, Wertorientierungen im Alltag
  • Pirker Jürgen (2013): Wir sind Kärnten – Mi smo Koroška. Jugend, Begegnung und politische Bildung in Volksgruppenfragen, Baden-Baden.
  • Pirker Jürgen/Hofmeister Linda (2015): Ergebnisse der Umfrage und Intervention/Rezultati ankete in intervencija, in Pirker Jürgen (Hrsg), Kärnten und Slowenien: Getrennte Wege – Gemeinsame Zukunft. Jugend zwischen Heimat, Nation und Europa/Koroška in Slovenija: Ločene poti – skupna prihodnost. Mladi o domovini, narodu in Evropi, Baden-Baden
  • Stainer-Hämmerle Kathrin (2008): Politische Bildung in Österreich, Eine kritische Bestandsaufnahme, in Gruber Bettina/Stainer-Hämmerle Kathrin, Demokratie lernen heute, Politische Bildung am Wendepunkt, Wien/Köln/Weimar
  • [1]ZB Anl. D, Erster Teil, Pkt. 5 und Sechster Teil, A. 2. lit a »Geschichte und Sozialkunde/ Politische Bildung« der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 14. November 1984 über die Lehrpläne der allgemeinbildenden höheren Schulen (Lehrpläne – allgemeinbildende höhere Schulen), BGB 1985/88 idF BGBl II 2006/321.

Links:

Informationen zu den Aktionstagen Politische Bildung:

http://www.politik-lernen.at/site/projekte/aktionstage