Lange Zeit hat die österreichische Sozialpartnerschaft – als Phänomen der Zweiten Republik – die wirtschaftliche und soziale Erfolgsgeschichte Österreichs geprägt und nicht zuletzt dem kleinen Staat Österreich den Aufstieg zu einem der reichsten Länder rund um den Globus verholfen. Auch im Bundesland Kärnten hat sich eine regional bedeutsame Form der Sozialpartnerschaft entwickelt.

Was ist die Kärntner Sozialpartnerschaft?

Wenn man in Kärnten von Sozialpartnerschaft spricht, handelt es sich um die Zusammenarbeit zwischen der Arbeiterkammer Kärnten (AK), der Landesorganisation des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), der Landwirtschaftskammer Kärnten (LK), Wirtschaftskammer Kärnten (WKK) und der Industriellenvereinigung Kärnten (IV). Die Industriellenvereinigung (als freiwillige Interessenvertretung der Industrie und industrienahen Dienstleister) nimmt in Kärnten eine wichtige Rolle ein, da dieser Sektor für ca. 60 Prozent der Wertschöpfung und ca. 50 Prozent der Beschäftigung in Kärnten verantwortlich ist. Die Zusammenarbeit der Kärntner Sozialpartner erfolgt vor allem in den Bereichen der Einkommens-, Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Man kann also auch von einer „Wirtschaftspartnerschaft“ sprechen.

Arbeitsweise und politischer Stellenwert

In Kärnten funktioniert die Sozialpartnerschaft aufgrund eines informellen Rahmens, der anlassbezogene Zusammenarbeitsmuster, dauerhafte Initiativen und Formen bundesweiter Sozialpartner-Übereinkommen ermöglicht. Die Arbeitsfelder der Sozialpartner erstrecken sich einerseits auf die Betriebe selbst (man spricht von der betrieblichen Sozialpartnerschaft, welche meist zwischen Geschäftsleitung und Dienstnehmern oder Unternehmer und Betriebsrat stattfindet) und andererseits auf eine Reihe von Institutionen, Gremien, Beiräten und Ausschüssen (beispielsweise Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds, Arbeitsstiftungen, verschiedene Gremien und Kommissionen, wie dem Bodenbeschaffungsfonds).

Alle fünf Kärntner Sozialpartner verfolgen gemeinsam ein großes Ziel. Die Aufgabe besteht darin, sich von politischen Diskussionen und den politisch agierenden Gruppen abzusetzen. Die Kärntner Sozialpartner erarbeiten gemeinsame Lösungsvorschläge und versuchen anhand von Zahlen, Daten und Fakten sachorientiert zu überzeugen. Die Funktion der Kärntner Sozialpartnerschaft liegt in der Beeinflussung grundlegender landespolitischer Entscheidungen. Sie stellt einen ausgleichenden Faktor zu parteipolitischen Konflikten in Kärnten dar und agiert sachbezogen. Die Sozialpartnerschaft in Kärnten ist „ein Mittel zum Eingriff in die Politik“. Meist geschieht das Tätigwerden der Sozialpartner aus Anlassfällen oder aufgrund von gemeinsamen Treffen ohne fixe Tagesordnung. Bei wesentlichen Themen, die das Land Kärnten und dessen Bevölkerung betreffen, treten die Sozialpartner auch in der Öffentlichkeit auf, wie beispielsweise beim Thema „Hypo-Verkauf“.

Der Stellenwert der Sozialpartnerschaft im politischen System Kärntens ist ein hoher, der sich einerseits aus der eigenen aktiven Arbeit der Sozialpartner ergibt und andererseits aufgrund der politischen Verhältnisse in Kärnten (keine absolute Mehrheit in der Regierung). Die Politik in Kärnten ist bemüht, Einigungen der Sozialpartner herbeizuführen, um zum einen eine breite Akzeptanz der Bevölkerung zu gewährleisten und zum anderen die landespolitischen Entscheidungen leichter durchzusetzen. Seit 2013 werden vierteljährlich Sitzungen der Landesregierung gemeinsam mit den Sozialpartnern abgehalten, um den ständigen Dialog sicherzustellen.

Geschichte der Kärntner Sozialpartnerschaft

Die Entstehung der Kärntner Sozialpartnerschaft reicht zurück bis in die unmittelbare Nachkriegszeit nach 1945. Bereits 1946 wurden aufgrund sozialpartnerschaftlicher Initiativen sogenannte „Versorgungsausschüsse“ eingerichtet und kurz darauf wurde eine zentrale Lohnkommission errichtet. Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände einigten sich im Juli 1946 auf eine Lohnerhöhung für die unselbständig Beschäftigten um ca. 50 Prozent. Dies geschah aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation Kärntens und der angespannten Situation am Arbeitsmarkt. Für die schlechte Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation in Kärnten zu diesem Zeitpunkt können die geografische Randlage, schlecht ausgebaute Infrastruktur, ein hoher Agraranteil, schwache Industrie und der Ausfall von 26.000 Zwangsarbeitern im Sommer 1945, Schwarzhandel und illegale Arbeit genannt werden. Bereits wenige Jahre später, nämlich 1950, wurde die „Paritätische Preiskommission für Fleisch, Obst und Gemüse“ gegründet, als weiteres Ergebnis der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit. Diese Paritätische Preiskommission wurde später in „Beirat“ umbenannt. Dass diese Aktivität der Sozialpartner in Kärnten durchaus erfolgreich war, zeigt Ende der 1950er Jahre ein Aufschwung (Hochkonjunktur) mit Vollbeschäftigung. Unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Ziele durch die Kärntner Sozialpartner, der Regierung und den Parteien konnte in dieser Zeit auch der Ausbau von Energieprojekten (Fragant, Draukraftwerkskette), die Elektrifizierung der Eisenbahn, der Ausbau der Straßeninfrastruktur, die Beteiligung am Wohn- und Siedlungsfonds (zur Lösung von Wohnproblemen) und die Schaffung von Grundlagen für eine landesweite Wohnbaupolitik durch sogenannte Sozialpartnervereinbarungen erzielt werden.

Eine grundsätzliche Kooperationsbereitschaft zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden gab es 1953, um gemeinsam mit der Landesregierung Wege aus der Wirtschaftskrise zu finden, da bereits 1952/53 die Arbeitslosigkeit in Kärnten drastisch zu steigen begann. Die Sozialpartner waren sich einig, dass die Stabilisierung der Wirtschaft politisch gesehen im Vordergrund stehen musste. Weitere große Sozialpartner-Impulse folgten, insbesondere im Gesundheitswesen. Vom Beginn der 1960er Jahre bis 1965 waren formlose Sozialpartner-Absprachen üblich. Von der sogenannten „Handschlag-Ära“ ist die Rede. Die Gründung der „Gesellschaft zur Förderung entwicklungsfähiger Gebiete“ (später: Gesellschaft zur Förderung der Kärntner Wirtschaft) im Jahr 1960 ist eine der wichtigsten Sozialpartner-Initiativen in dieser Zeit. Die Aufgabe dieser Gesellschaft war es, Möglichkeiten zur Förderung und Ansiedelung neuer Industriebetriebe in Kärnten zu finden. Die Versorgung von Randlagen und die Verbesserung des Lohnniveaus waren ihr Ziel. Von 1960 bis 1981 wurde mit Hilfe dieser Gesellschaft die Gründung von 140 neuen Betrieben unterstützt. Trotz dieses Erfolges musste die Kärntner Sozialpartnerschaft aufgrund von Auseinandersetzungen um aktuelle Lohnfragen in den frühen 1960er Jahren eine Zerreißprobe überstehen. Auch in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre war die Zusammenarbeit der Kärntner Sozialpartner erfolgreich.

Durch Einsetzen eines Wertewandels in den 1980er Jahren bzw. Veränderungen im politischen Umfeld seit den 1990er Jahren (u.a. löst eine FPÖ/ÖVP-Koalition in Kärnten die Regierung von SPÖ und ÖVP ab) und dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Jahr 1995 (wirtschaftliche Veränderungen, zunehmende Internationalisierung, verstärkter Wettbewerb, niedrige Wachstumsraten und Einschränkung nationalstaatlicher Handlungsspielräume, steigende Arbeitslosigkeit, Facharbeitermangel) beginnt die Sozialpartnerschaft in Kärnten einem Wandel zu unterliegen: Der Wandel der Kärntner Sozialpartnerschaft zeigt sich in Ansätzen am Aufleben neuer Formen von Sozialpartnerinitiativen („Kärntner Fachkräftegipfel der Sozialpartner“ zur Förderung des Fachkräftenachwuchses), dem Aufgreifen neuer Themen durch die Sozialpartner (z.B. „Allianz für den freien Sonntag“ gemeinsam mit den christlichen Kirchen), der institutionellen Infrastruktur (Schaffung der „Kärntner Arbeitsstiftungen“: Verein, der arbeitslosen Menschen durch gezielte Ausbildung neue Chancen am Arbeitsmarkt gibt) ebenso wie am Stellenwert der Sozialpartnerschaft für die Politikgestaltung.

Autorin: Andrea Payer (Wirtschaftskammer Kärnten)

Sozialpartner in Österreich – Kontakte:

Die Sozialpartner Österreich: www.sozialpartner.at

Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ): www.wko.at
Wirtschaftskammer Kärnten: Europaplatz 1, 9021 Klagenfurt

Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ): www.lko.at
Landwirtschaftskammer Kärnten: www.ktn.lko.at  Museumsgasse 5, 9020 Klagenfurt

Bundesarbeiterkammer (BAK): www.arbeiterkammer.at
Arbeiterkammer Kärnten: www.kaernten.arbeiterkammer.at (Beratungszentren in Klagenfurt, Villach, Wolfsberg, St. Veit, Völkermarkt, Feldkirchen, Hermagor)

Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB): www.oegb.at
Landesorganisation Kärnten: www.oegb.at
Bahnhofstraße 44, 9020 Klagenfurt