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Buntes Kärnten

„Kärnten ist anders!“

Das weiß der Volksmund. Aber wie? Es zeichnet sich aus durch geographische, sprachliche, kulinarische und kulturelle Vielfalt: Kärnten liegt am Schnittpunkt romanischer, germanischer und slawischer Sprach- und Kulturlandschaften. Als Teil des weiteren Alpen-Adria Raumes (u.a. Kärnten, Slowenien, Friaul/Julisch-Venetien) weist die Region eine Geschichte auf, die geprägt ist von Kriegen, politischen Umwälzungen, alten und neuen Migrationsbewegungen. Sie bietet ein facettenreiches Versuchsfeld für den Umgang mit Vielfalt und ist ein „Europa im Kleinen“. Das gilt auch für Kärnten. Dennoch sind Slogans wie „Kärnten ist anders!“ oder „Kärnten wehrt sich!“ wohlbekannt. Sie prägen das Bild des Landes im Innen und Außen. Herausfordernd scheint die Frage: Wer ist Kärnten? Wer soll oder darf dazu gehören? Und: Wer nicht?

Die Idee gelebter Vielfalt meint ein respektvolles Miteinander – unter Achtung kultureller, sprachlicher, religiöser, geschlechtlicher und anderer Identität/en. Entscheidend ist nicht die Diversität an sich, sondern der Umgang mit ihr. Im Mittelpunkt sollte der Mensch als Individuum mit seinen persönlichen Erfahrungen stehen. Dann erweist sich eine ausschließliche Fokussierung auf Gruppenzugehörigkeiten und bestimmte Merkmale (Migrationshintergrund, Behinderung, andere religiöse Orientierung, Alter, Sprache etc.), die oft zur Trennung in „wir“ und „andere“ genutzt werden, als oberflächlich und unrichtig. Das gilt für den Umgang mit historisch gewachsener Vielfalt in Form der Zweisprachigkeit in Kärnten ebenso, wie für Fragen der Zuwanderung.

Die Auseinandersetzung mit Verschiedenheit sollte nicht als „notwendiges Übel“ betrachtet werden, sondern als eine herausfordernde Aufgabe, die ein friedliches Zusammenleben zum Ziel hat. Für erfolgreichen Dialog ist es entscheidend, den Blick nicht auf Unterschiede zu richten, sondern auf Gemeinsamkeiten.

 

Vielfalt und Schule

Kulturelle Vielfalt ist in Österreichs Schulen längst Bestandteil des Alltags. Österreichweit besitzen 11,9% der SchülerInnen eine ausländische Staatsbürgerschaft, in Kärnten beträgt der Anteil 8,9%. Der Anteil von SchülerInnen mit nichtdeutscher Umgangssprache beträgt im österreichweiten Durchschnitt 22,2%, wobei sich erhebliche Unterschiede in den Bundesländern ergeben.  Dabei führt Wien mit einem Anteil von 47,5% weit vor Vorarlberg mit 23,4% und Salzburg mit 19,1%. Kärnten liegt mit 12,4% an letzter Stelle.

Die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, sind nicht nur sprachliche: Im Hinblick auf den Kompetenzorientierten Unterricht und Politische Bildung gilt es auch, gelingende interkulturelle Begegnungen und Zusammenarbeit zu fördern. Wie Vielfalt in der Schule gelebt werden kann, zeigt das Projekt Vielfalt, I like. Jugendliche bewegen und bilden die Schule das von der Initiative Vielfalter des Interkulturellen Zentrums und der Universität Innsbruck (Dr. Marc Hill) durchgeführt wurde. Es thematisiert die Lebenswelt von Jugendlichen aus Migrationsfamilien und ihren Schulalltag. SchülerInnen aus Klagenfurt nahmen an diesem Projekt teil.

Vielfalt in Kärnten entsteht nicht erst durch jüngere Migrationsbewegungen – seit Jahrhunderten ist das südliche Gebiet Kärntens zweisprachig geprägt. Um den Dialog von Jugendlichen aus Kärnten und Slowenien und auch innerhalb Kärntens anzuregen (zwischen Kärntner SlowenInnen und deutschsprachigen KärntnerInnen), wurde im Schuljahr 2012/13 das länderübergreifende Schulprojekt Getrennte Wege – Gemeinsame  Zukunft| Ločene poti – skupna prihodnost initiiert. Mehr als 5.000 Schülerinnen und Schüler, überwiegend im Alter von 15 bis 18 Jahren, nahmen an der Umfrage teil. 80 Schülerinnen und Schüler aus beiden Ländern setzten sich mit Geschichte(n) Kärntens und Sloweniens, Minderheitenschutz, Europa und Visionen für eine gemeinsame Zukunft der Region auseinander.

Die Ergebnisse zeigen, dass viele SchülerInnen für die historisch gewachsene Vielfalt Kärntens kein Bewusstsein haben und kaum über ihre Geschichte informiert sind (siehe nationale Frage). Auch die Bedeutung von Maßnahmen zum Schutz von traditionell beheimateten Minderheiten wie der slowenischen Volksgruppe in Kärnten kann oft nicht eingeschätzt werden. In der Diskussion vermischen sich häufig Argumente aus der Migrationsdebatte mit der Bewertung von Anliegen „autochthoner Minderheiten“ (siehe Minderheiten). Die politische Bildung hat für Klarheit zu sorgen und eine aktive Auseinandersetzung mit den Themenbereichen Minderheiten, Migration und Integration zu ermöglichen. Das ist das Anliegen der folgenden Abschnitte.

 

Nähere Informationen zur slowenischen Volksgruppe in Kärnten, den Ergebnissen der Umfrage und dem Schulprojekt unter Volksgruppen.

Weitere Informationen zur Einwanderungspolitik Österreichs, Migration und Integration auf der Homepage unter Migration & Integration

Das Fact-Sheet: Migration in Kärnten und Österreich  gibt einen Überblick über die Entwicklungen der Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten, sowie auf die Staatsangehörigkeiten und die Verteilung von ZuwanderInnen auf die Bezirke Kärntens.

Zur Geschichte Kärntens mit dem Schwerpunkt der Volksgruppenfrage siehe: Timeline der Volksgruppenfrage in Kärnten

 

Die Originalversionen der gekürzten Beiträge finden Sie im Downloadbereich der Homepage:

„Kärnten is lei ans – Vielfalt im Bundesland und darüber hinaus“ von Jürgen Pirker und Linda Hofmeister (Karl-Franzens-Universität Graz)

„Vielfalt in Kärnten und der Zugang zur Heterogenität“ von Ratheiser Vera (FH Kärnten)

 


Minderheiten

Was sind Minderheiten und wie können sie entstehen?

Eine eindeutige Definition für den Begriff der „Minderheit“ gibt es nicht. Die österreichische Bundesverfassung spricht in Art 8 (1) B-VG von „sprachlichen Minderheiten“, in Art 8 (2) B-VG von „autochthonen Volksgruppen“. Die Staatsverträge von St. Germain 1919 und Wien 1955 beziehen sich auf (nationale) „Minderheiten“ und orientieren sich an einem völkerrechtlich üblichen Begriffsverständnis; ebenso wie die Minderheitenschulgesetze für Kärnten und das Burgenland. Sie meinen die „Volksgruppen“, die das Volksgruppengesetz (VoGrG) regelt. Nicht mehr verwendet wird der Begriff „Volksstämme“ aus Art 19 des Staatsgrundgesetzes von 1867, das nach wie vor Teil der österreichischen Rechtsordnung ist. Die Zugehörigkeit zu einer Minderheit bestimmt sich nach dem freien Bekenntnisprinzip (verankert in § 1 (3) VoGrG).

Es gibt mehrere internationale Dokumente, Verträge und Empfehlungen, die sich dem Minderheitenbegriff annähern bzw. ihn verwenden. 1979 und 1985 haben beispielsweise UN-Kommissionen zum Thema Minderheiten Definitionen erarbeitet, die seither von vielen anderen Dokumenten und Staaten weitgehend übernommen bzw. akzeptiert wurden. Demnach lassen sich objektive und subjektive Merkmale von Minderheiten unterscheiden. Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte, die eine Minderheit ausmachen, angeführt.

Als wichtige Elemente von Minderheiten gelten die zahlenmäßige Unterlegenheit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sowie ihre nicht-dominante Stellung im Staat. Darüber hinaus hat eine Minderheit ethnische, religiöse, kulturelle oder sprachliche Gemeinsamkeiten, die sie von der Gesamtbevölkerung unterscheidet und möchte diese „Besonderheit“ auch pflegen und beibehalten. Als wichtiger (objektiver) Punkt gilt eine dauerhafte und feste Verbindung zu dem Staat, in dem die Gruppe lebt. Im österreichischen Gesetz wird hier beispielsweise das Wort „ansässig“ oder „Beheimatung“ verwendet. Eine Gruppe gilt als in Österreich „beheimatet“, wenn sie seit mindestens drei Generationen, also etwa 90 bis 100 Jahre, hier lebt. In manchen internationalen Dokumenten wird außerdem das Kriterium der Staatsangehörigkeit angeführt, das besonders im Zusammenhang mit neuen Minderheiten jedoch umstritten ist. Neben diesen objektiven Kriterien ist es aber auch wichtig, dass eine Gruppe von Menschen sich selbst als Gemeinschaft versteht, eine gewisse gemeinsame Identität und ein Solidaritätsgefühl entwickelt hat und die eigene Kultur/Sprache/etc. bewahren und pflegen möchte (subjektive Merkmale).

 

Alte und „neue“ Minderheiten und ihre Rechte

Historisch betrachtet entstehen („autochthone“) Minderheiten häufig, weil sich die Zugehörigkeit ihres Wohngebiets durch die Veränderung von Staatsgrenzen oder den Zerfall eines Staats in mehrere Nationalstaaten verändert und eine Gruppe von Menschen sich plötzlich in einem „neuen“ Staat wiederfindet. So sind bspw. die in Österreich anerkannten Volksgruppen der UngarInnen, SlowenInnen und KroatInnen, TschechInnen und SlowakInnen nach dem Zerfall der Monarchie Österreich-Ungarn in Österreich zu Minderheiten geworden. Als „neue“ Minderheiten gelten vorwiegend ZuwanderInnen und WanderarbeiterInnen. Daneben werden manchmal auch Gruppen wie Homosexuelle, Behinderte oder anderweitig (mehrfach) diskriminierte gesellschaftliche Gruppen unter diesem Begriff zusammengefasst. Gemeinsam ist den (alten und „neuen“) Minderheiten jedoch, dass sie besonderen Schutz vom Staat erhalten und eigene Rechte haben. Dazu gehört unter anderem das Recht, die eigene Sprache privat und in der Öffentlichkeit zu verwenden, den eigenen Namen zu verwenden, die eigene Kultur und/oder Religion beizubehalten und zu pflegen. Der Staat darf keine Maßnahmen setzen, die darauf hinauslaufen, die (sprachliche, kulturelle, ethnische, etc.) Besonderheit oder Gemeinsamkeit dieser Gruppe aufzulösen (z.B. die Verwendung der Sprache verbieten, sodass diese langsam in Vergessenheit gerät).

 


 

Wir und Andere

Im Allgemeinen verwenden wir das Wort „Wir“, wenn wir von unserer Familie, unserer Sportmannschaft, unserem Freundeskreis, etc. sprechen. Das gemeinsame Leben und die Erfahrungen schweißen Menschen zusammen. Im Arbeitsalltag sind es die gemeinsamen Aufgaben und Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Erfolge und Misserfolge gehören zur gemeinsamen Erfahrungswelt. In der Freizeit führen die gleichen Interessen und Hobbies die Menschen zusammen, in der Politik sind es die unterschiedlichen Haltungen und Sichtweisen, in der Religion die verschiedenen Glaubensrichtungen. Die Sprache kann ebenfalls ein Auslöser für ein Wir-Gefühl sein, was uns z.B. im fremdsprachigen Ausland besonders auffällt. Jeder Mensch gehört gleichzeitig zu mehreren „Wir-Einheiten“, die sich auf Grund der Familiensituation, der Arbeit, den Lebenszielen, Einstellungen und Lebensformen etc. ergeben. Alle diese Erfahrungen beeinflussen die Entwicklung unseres Selbstbildes – der Identität.

 

Identität

(lat. „gleich sein“) beschreibt das Selbstbild, das eine Person von sich hat. Identität ist im Laufe des Lebens wandelbar und entwickelt sich in einem immer größer werdenden Umfeld: Beginnend in der Familie über Kindergarten, Schule, Freundeskreis, die Gemeinde bis hin zur Nation. Die Identität eines Menschen besteht aus vielen Teil-Identitäten: Je nach Situation treten andere Teile, bzw. Rollen, die man einnimmt, in den Vordergrund: Man fühlt sich als Österreicher, Europäer oder Kärntnerin, als Fußballspielerin, Sänger, Bruder oder Schwester. Dabei ist Identität stets abhängig von der Zustimmung und Bestätigung durch die Anderen, das persönliche Umfeld. Um die eigene Identität entwickeln zu können, grenzen wir uns von all jenen Teilen ab, die nicht zu uns selbst, oder zu der eigenen Gruppe gehören.

Mangelnde Vertrautheit mit Fremden kann zwiespältige Gefühle auslösen, die sich zwischen Furcht und Faszination bewegen, da sie uns die Begrenztheit des eigenen Wissens vor Augen führen.  Häufig ist die Kulturzugehörigkeit Grund für Aus- und Abgrenzungen. Fremd- und im schlimmsten Fall Feindbilder entstehen dort, wo Unterschiede negative Gefühle auslösen; z.B. wenn Differenzen als bedrohlich, als eine Quelle der Gefahr eingestuft werden oder wenn das Gefühl auftrifft, dass durch „die Anderen“ Freiheiten eingeschränkt werden oder für die eigene Lebensweise kein Raum mehr bleibt.

In Konfliktsituationen werden häufig die bedrohten Identitäts-Anteile betont und entlang dieser Merkmale die Grenzen gezogen – z.B. „Slowenen“ gegen (nur) „Deutschsprachige“ in Kärnten. Manche Teile der Identität sind wandelbar: Es können Anteile, Werte oder Einstellungen der anderen Gruppe übernommen werden (Anpassung). Bei unterschiedlichen Machverhältnissen, bzw. wenn die Mehrheit Druck auf die Minderheit ausübt, kann es zur Assimilation kommen: Der Aufgabe der eigenen Gruppenidentität und Sprache zugunsten jener der Mehrheit. In Mehrheiten-Minderheitensituationen entstehen meist klare Grenzen zwischen den Gruppen, verbunden mit wechselseitigen Vorurteilen und Zuschreibungen, während die eigene Gruppe bevorzugt oder sogar idealisiert wird. Minderheitenrechte erlauben es einer kleinen Gruppe innerhalb einer Mehrheitsgesellschaft, Ansprüche geltend zu machen, die für ihre Existenz und die Wahrung der eigenen Identität notwendig sind. Zusätzlich entwickeln Personen Zwischen- und Mehrfachidentitäten, wenn sie sich verschiedenen Gruppen zugehörig fühlen und sich nicht festlegen wollen.

Da unsere heutige Gesellschaft durch kulturelle, soziale und ökonomische Vielfalt geprägt ist, kann sich eine andere Art von Wir-Bewusstsein entwickeln. Durch die Globalisierung, die weltweite Vernetzung und die gesellschaftliche Pluralität haben alle Mitglieder unserer Gesellschaft heutzutage vermehrte Möglichkeiten, in Verbindung mit anderen Gemeinschaften zu treten. Diese werden nicht mehr stereotyp als fremd oder beängstigend eingestuft. Gemeinsame Erfahrungen eröffnen neue Horizonte – Wissen und größere Vertrautheit ermöglichen, sich auch „den Fremden“ näher zu fühlen, weil man erkennt, dass viele Menschen die gleichen Probleme, Sorgen und Bedürfnisse haben. Wenn wir uns der vielen verschiedenen kulturellen Elemente in unserem Leben bewusst werden, können die nationalen Grenzen im Kopf durchlässiger werden (siehe Transkulturalität), ohne deswegen den Anspruch zu erheben, alle Facetten einer Kultur zu erfassen oder Kultur als beliebig zu begreifen.

Die Originalversionen der gekürzten Beiträge finden Sie im Downloadbereich der Homepage:

„Volksgruppenfrage(n) in Kärnten“ von Jürgen Pirker und Linda Hofmeister (Karl-Franzens-Universität Graz)

 „Vielfalt in Kärnten und der Zugang zur Heterogenität“ von Vera Ratheiser (FH Kärnten)

 


 

Kultur und Konflikt

Rund um Kulturen

Für den Begriff der Kultur gibt es viele Definitionsmöglichkeiten. Entscheidend ist vor allem, nicht nur an den Kulturteil in Zeitungen zu denken und Kultur lediglich mit Kunst, Theater, Literatur und Malerei gleichzusetzen.

Das Wort stammt vom lateinischen „colere“ (pflegen, urbar machen, ausbilden) und war im landwirtschaftlichen Zusammenhang gebräuchlich. Dieser Ursprung zeigt, dass sich „Kultur“ im Kern auf das vom Menschen Geschaffene bezieht – in Abgrenzung zu dem nicht vom Menschen Geschaffenen, z.B. die „natürlich“ gewachsene gegenüber der vom Menschen gepflegten Landschaft.

Im herkömmlichen Sinn kann „Kultur“ als ein komplexes Gefüge gesehen werden, welches das gesamte Umfeld und die Lebensbereiche eines Landes regelt, von der Erziehung über das Gesundheits- und Sozialwesen, die Bürokratie, die Wirtschaft, die Judikatur usw. bis hin zur Migrations- und Integrationspolitik.

Kultur dient als Rahmen, aus dem heraus wir unsere Umwelt wahrnehmen und bewerten. Den Mitgliedern derselben Kultur dient dieser Rahmen (der kulturelle Kontext) dazu, Situationen ähnlich zu interpretieren und nach ähnlichen Erwartungen zu handeln – der gemeinsame Kontext erfüllt somit die Funktion, Sicherheit und Orientierung zu schaffen.

Kultur prägt unsere Weltanschauung, Wertvorstellungen und Normen, den Glauben, die Sprache und das Verhalten. Sie ist somit mitbestimmend für unsere Denk- und Handlungsmuster, die die Mitglieder einer Gesellschaft oder einer Gruppe von einer anderen unterscheiden. In diesem Verständnis ist Kultur auch paradox: Sie kann uns verbinden und trennen. Daraus erwächst die Herausforderung, Strategien zu entwickeln, die es den Mitgliedern unterschiedlicher Kulturen ermöglichen, einander zu verstehen und zu akzeptieren.

Kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen zwischen und innerhalb der Mitglieder bestimmter Gruppen oder Nationen; umso mehr in pluralistischen Gesellschaften, in denen die Menschen die verschiedensten Lebensstile pflegen und sich unterschiedliche Weltanschauungen herausgebildet haben.

Mitgliedern bestimmter kultureller Gruppen ist gemeinsam, dass ihnen Eigenheiten ihrer Kultur so lange nicht bewusst sind, bis sie in der Außenwelt auf andere Gepflogenheiten stoßen. Dies kann zu zwischenmenschlichen Missverständnissen und Konflikten führen. Um mit diesen Verschiedenheiten konstruktiv umgehen zu können, ist es nötig, eigene und fremde Vorstellungen, Weltbilder und Verhaltensmuster zu hinterfragen und sich miteinander verständigen zu können.

Auch heute glauben viele Menschen noch, dass eine Kultur innerhalb eines bestimmten Landes, das durch Landesgrenzen klar von den Nachbarstaaten getrennt ist, einheitlich und immer gleich gelebt wird. Lebensstile, Gewohnheiten, Bräuche, Traditionen der Menschen gehen aber  über die Grenzen hinaus und vermischen sich innerhalb der Bevölkerung, einer Region und eines Landes. Es ist offenbar, dass Kulturen längst nicht homogen sind, sich nicht klar voneinander abgrenzen lassen und nicht nur nebeneinander existieren, sondern, dass Kulturen einander durchdringen und sich durchmischen. Bei dieser „Kulturvermischung“ handelt es sich um kein neues Phänomen. Historisch betrachtet bildet sie eher die Regel als die Ausnahme. Durch Wanderungsbewegungen, Kriege oder Handelsbeziehungen kam es schon immer zu Konfrontationen zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Die europäische Kunst- und Kulturgeschichte ist ohne die historische Vermischung der kulturellen Einflüsse nicht denkbar.

Nicht nur im Urlaub, auf Studien- und Geschäftsreisen oder schulischen Exkursionen sind wir mit kulturellen Unterschieden konfrontiert, sondern auch im tagtäglichen Leben durch das Zusammenleben mit Personen, die andere kulturelle Traditionen teilen, zB Angehörige von Minderheiten. Die Tatsache, dass und wie wir von Minderheiten sprechen, ist selbst Teil unserer Kultur.

 

Transkulturalität

Transkulturalität meint, dass Kulturen nicht klar abgegrenzt, nebeneinander existieren, sondern sich durchmischen und durchdringen. Das bedeutet, dass kulturspezifische Lebensgewohnheiten nicht geographisch einzugrenzen sind. Die Bräuche, Lebensstile und Sprachen sind bereits innerhalb eines Landes, einer Region oder Stadt vielfältig und verändern sich nicht erst, wenn man die Landesgrenze überschreitet. Der Grund dafür liegt u.a. in den weltweiten, gesellschaftlichen Veränderungen, den Vernetzungen (Kommunikation, Technik, Wirtschaft, Digitalität, Mobilität, Transportwesen) oder den Migrationsbewegungen.

 

Transkultur

 

Innere Transkulturalität

Mit der Bezeichnung „innere Transkulturalität“ bringt der deutsche Philosoph Wolfgang Welsch zum Ausdruck, dass wir als Individuen nicht nur von einer Kultur beeinflusst werden. Wir bilden unsere Identität aus „Bauklötzen“ mehrerer Kulturen. Zum Beispiel leben wir in Österreich, essen aber gerne Italienisch, schauen amerikanische Fernsehfilme etc. Dies ist für uns eine Selbstverständlichkeit, aber es ist uns meistens nicht bewusst, wie kulturell durchmischt unsere Lebensweise ist. Häufig haben wir Familienangehörige und Freunde in anderen Ländern oder auf anderen Kontinenten und sind mit ihnen per Skype, Telefon, Facebook vernetzt. Durch hochentwickelte Verkehrsmittel gehören Länder- und Ortswechsel für viele Menschen zum Alltag. Freundschaften und Beziehungen begrenzen sich nicht auf unser Herkunftsland oder den Wohnort.

Aber: Dass man regelmäßig italienische, türkische oder chinesische Speisen zu sich nimmt, bedeutet keineswegs, dass man mit den in Italien, der Türkei oder China mit dem Essen verbundenen Ritualen, Traditionen und Wertvorstellungen vertraut ist. Um ein tiefergehendes Verständnis für Werte und Regeln zu erlangen braucht es persönlichen Austausch mit Mitgliedern dieser Kultur. Für diese Kontakte zwischen den Kulturen benötigen wir Fähigkeiten, die als interkulturelle Kompetenzen bezeichnet werden.

 

Interkulturelle Kompetenz

Interkulturelle Fähigkeiten, Haltungen und Einstellungen werden bei Begegnungen von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen (in der Schule, im Beruf, in der Nachbarschaft, etc.) benötigt. Dazu zählen z.B. Kenntnisse der Sprache, der Politik, Religion oder Traditionen, Umgangsformen und Sitten einer Kultur, bzw. eines Landes. Persönliche Eigenschaften wie Offenheit, eine wertschätzende Grundhaltung, Reflexions- und Kooperationsbereitschaft sind ebenso wichtige Grundlagen für gelingende interkulturelle Kontakte. Interkulturelle Begegnungen können neugierig machen, anregend und positiv sein. Es kann aber auch zu Missverständnissen oder Konflikten kommen, vor allem wenn große sprachliche Barrieren bestehen. In solchen Fällen gilt es, gemeinsam konstruktive Lösungen für eine Verständigung  und ein Zusammenleben zu finden (siehe Raus aus Konflikten).

Die Originalversionen der gekürzten Beiträge finden Sie im Downloadbereich der Homepage:

 „Interkulturelle Kommunikation und Konfliktbearbeitung“ von Jan Brousek (Herbert C. Kelman Institut für Interaktive Konflikttransformation, Wien)

 „Vielfalt in Kärnten und der Zugang zur Heterogenität“ von Vera Ratheiser (FH Kärnten)

 

Raus aus Konflikten

Interkulturelle Kommunikation und Konflikte

Kommunikation steht für die Mitteilung von Information. Das ist schon innerhalb derselben kulturell geprägten Gruppe nicht immer einfach. Kleine Missverständnisse belegen das jeden Tag: Beim Empfänger kommt nicht immer die Botschaft an, die der Sender übermitteln möchte. Aus einer Nachfrage wird schnell ein Vorwurf, aus einer Unterhaltung ein Streit. Kommunikation ist wesentlich geprägt von der Beziehung, die man zu seinem Gesprächspartner hat.  Was verstanden wird, hängt auch vom persönlichen Erfahrungsschatz ab. Jemand, der es gewohnt ist, für seine schlechten Leistungen kritisiert zu werden, wird eine Rückmeldung zu seiner Arbeit anders empfangen, als jemand der meist mit Lob überhäuft wird.

„Interkulturell“ beschreibt, was zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen geschieht. Interkulturelle Kommunikation meint die Verständigung von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Ethnien oder Religionen und zielt darauf ab, einen spannungsfreien Umgang zwischen Personen aus unterschiedlichen kulturellen Systemen zu ermöglichen.  Es geht darum, sich kultureller Unterschiede und der eigenen Prägungen bewusst zu werden. Dabei soll das Unbewusste, das implizit Vorausgesetze der eigenen „Kultur“ sichtbar gemacht werden, denn Kultur spielt nicht nur für Kommunikation eine erhebliche Rolle, sondern auch für den Umgang mit Konflikten.

Wo Menschen miteinander leben, kommt es zu Konflikten (vom lateinischen „conflictus“: Kampf oder Zusammenstoß) nämlich dort, wo scheinbar unvereinbare Ziele, Interessen und Bedürfnisse aufeinandertreffen. Nach dem Konfliktforscher Friedrich Glasl ist ein Konflikt vorhanden, wenn das, was die eine „Konfliktpartei“ will, durch eine andere beeinträchtigt wird. Das geschieht, wenn Individuen, Gruppen oder Organisationen so miteinander umgehen, dass zumindest eine beteiligte Partei Unvereinbarkeiten erlebt im Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Wollen und/oder Handeln.

Man unterscheidet verschiedene Arten von Konflikten: Intrapersonelle Konflikte sind innere Spannungszustände (es streiten innere Anteile gegeneinander), interpersonelle Konflikte bestehen zwischen zwei oder mehreren Personen. Sind Gruppen betroffen, spricht man von intra- und inter-Gruppenkonflikten (innerhalb einer Gruppe/zwischen verschiedenen Gruppen).

Friedrich Glasl stellt in seinem Konflikteskalations-Modell dar, wie sich Konflikte so zuspitzen können, dass letztlich die eigene „Vernichtung“ und die „Vernichtung“ der anderen Konfliktpartei in Kauf genommen werden (z.B. nach dem Motto „Dann verliere ich eben, Hauptsache es schadet dem anderen auch!“). Ursprünglich dachte er bei der Entwicklung seines Modells an Konflikte zwischen Staaten, die dann auf der letzten Stufe zu bewaffneten Auseinandersetzungen, bzw. zum Krieg führen. Das Modell lässt sich aber ebenso auf andere Konflikte übertragen und dient zur Orientierung bei der Konfliktbearbeitung, um geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen (siehe Downloadbereich: Arbeitsblätter – Interkulturelle Kommunikation und Konfliktbearbeitung: Stufen der Konflikteskalation und Konfliktverhalten).

Um mit Konflikten konstruktiv umzugehen und eine Eskalation zu vermeiden, ist es wichtig, frühzeitig zu intervenieren und Hintergründe, Motivation, Ziele, kurz: Die dahinterstehenden Bedürfnisse der Betroffenen zu berücksichtigen.

 

Interkulturelle Konflikte sind Konflikte zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen. Die Besonderheit bei solchen Konflikten ist, dass neben Verständigungs- und Sprachschwierigkeiten unterschiedliche (kulturell geprägte) Vorstellungen, Denk- und Verhaltensmuster bestehen können. Diese Unterschiede können auf den ersten Blick gravierend erscheinen, wenn man die dahinterstehenden Bedürfnisse, Ziele und Motivationen der Menschen nicht beachtet.

 

Konfliktbearbeitung

Konstruktive Konfliktbearbeitung verlangt, zwischen unterschiedlichen Wahrnehmungen, Verhaltensweisen und Werten zu vermitteln und gemeinsam Wege zu finden, die für alle Seiten annehmbar sind, um eine Konfliktsituation zu entschärfen und zu transformieren. Dafür ist es notwendig, die Hintergründe eines Konfliktes und die Motivationen der Beteiligten zu verstehen, um den Konflikt in seiner Gesamtheit zu erfassen.

Für die Bearbeitung interkultureller Konflikte spielt die Auseinandersetzung mit dem Kontext des Konfliktes eine wesentliche Rolle. Dabei wird versucht, den gesellschaftlichen, geschichtlichen und kulturellen Kontext auszuleuchten, um möglichst kultursensitiv agieren zu können. Gleichzeitig schafft die Frage nach Grundbedürfnissen einen Rahmen, um selbst zwischen unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen, z.B. verschiedener Religionen, vermitteln zu können.

Ein Verfahren der Konfliktbearbeitung, das der Komplexität von interkulturellen Konflikten Rechnung trägt, ist die „Interaktive Konflikttransformation“. Das Ziel – eine „Konflikttransformation“ statt „Konfliktlösung“ – bringt zum Ausdruck, dass Konflikte  nicht aus der Welt zu schaffen, sondern die daraus erwachsenden Energien konstruktiv zu nutzen sind. In der Praxis der Konfliktbearbeitung eignet es sich als strategischer Leitfaden für die Begleitung eines Dialogs zwischen Konfliktparteien oder für die separate Beratung der Beteiligten eines Konflikts. Für die Auseinandersetzung mit Konflikten ist es aber vor allem ein Instrument, um die Dynamik von Konflikten besser zu verstehen und zu analysieren, wie und warum Konflikte entstehen und was hinter ihnen steckt. Im Zentrum stehen die subjektiven Sichtweisen der Betroffenen, nicht zuletzt um zu verstehen, warum der Konflikt so und nicht anders wahrgenommen wird: Welche Bedürfnisse und Ängste stecken hinter den Zielen der Beteiligten; inwiefern beeinflussen gesellschaftliche, geschichtliche und kulturelle Rahmenbedingungen den Konflikt, das Verhalten und das Denken der Beteiligten? Es wird versucht, die subjektive Sichtweise der Betroffenen zu analysieren und das Verhalten und Denken durch die Rahmenbedingungen des Konfliktes verstehbar zu machen. Offengelegte Ressourcen werden kreativ genutzt, um die ursprünglichen (widersprüchlichen) Ziele so umzuformulieren, dass die hinter den Zielen stehenden Bedürfnisse befriedigt werden, ohne die Grundbedürfnisse der anderen zu verletzen.

 

Eine detaillierte Beschreibung der Konfliktbearbeitungsmethode inklusive Praxisbeispiel finden Sie in der Originalversion des Beitrags:

„Interkulturelle Kommunikation und Konfliktbearbeitung“ von Jan Brousek (Herbert C. Kelman Institut für Interaktive Konflikttransformation, Wien)

Weitere Quellen: Glasl, Friedrich (2002): Konfliktmanagement. Stuttgart: Haupt Verlag

 


 

Links

Links zum Thema Vielfalt und Integration 

 

Das Interkulturelle Zentrum bietet unter anderem Workshops für Kinder, Jugendliche und Schulen an: http://www.iz.or.at

Broschüren mit zahlreichen Unterrichtsmethoden und Projektvorschlägen rund um das Thema Vielfalt:

 

 Österreichischer Integrationsfonds (ÖIF):  http://www.integrationsfonds.at/

 

 

Links zum Thema Konfliktmanagement und Gewaltprävention:       

 

Anlaufstellen: